Schafwolle und andere tierische Fasern

Wolle ist als Naturfaser ein nachwachsender Rohstoff, also besonders geeignet für ökologische und kreislauffähige Produkte. Die Faser gerät daher bei produzierenden Unternehmen sowie Konsument*innen wieder mehr in den Fokus. Nicht zuletzt seit der Erkenntnis, dass bei jeder Waschmaschinenwäsche von Synthesefaserkleidung, wie zum Beispiel Polyester-Fleece, Mikroplastik in den Wasserkreislauf gelangt. Außerdem hat Wolle großartige Eigenschaften.

Wolle ist das Haar der Schafe und als solches sehr ähnlich unserer eigenen Körperbehaarung. Mit dem Unterschied, dass die Wolle vom Schaf mit Durchmessern von ca. 15-50 Mikrometer (0,015-0,05 mm) sehr viel feiner ist als menschliche Haare mit rund 40-120 Mikrometer (0,04 mm bis 0,12 mm). Die Behaarung dient bei allen Säugetieren, einschließlich unserer eigenen Spezies, unter anderem der Wärmedämmung, der Feuchtigkeitsregulierung und dem Schutz gegen Feuchtigkeit, wie zum Beispiel bei Regen. Diese Eigenschaften machen Wolltextilien zu echten Allroundtalenten für jede Lage.

Hinweis: Dieser Teil 1 widmet sich den Fasern an sich. Im später folgenden Teil 2 werden die Problemstellungen in der Wollproduktion beleuchtet und, die durch teilweise gravierende Missstände in der Tierhaltung und durch die chemische Behandlung der Fasern entstehen.

Hier aber erstmal die guten Nachrichten.

Wolle und andere Tierhaare – eine Abgrenzung

Wolle stammt von verschiedenen Schafrassen. Die verbreitetsten sind die Merinoschafe, sie liefern auch die feinste Wolle und sind hauptsächlich in Australien und Südafrika zu finden. Weitere wichtige Wollerzeugerländer sind Neuseeland, Argentinien sowie die USA und auch Großbritannien. Schurwolle wird durch Scheren lebender Schafe gewonnen. Wenn auf einem Textil 100% Wolle steht, kann es sich um recyceltes Material, sogenannte Reißwolle, oder Wolle von toten Schafen handeln.

Mohair bezeichnet das Haar der Angoraziege und ist sehr fein, weich, seidig glänzend und von weißer Farbe. Haupterzeugerländer sind heute Südafrika und die USA (Texas).

Kaschmir stammt von der in Asien vorkommenden Kaschmirziege und ist ebenfalls sehr fein und leicht. Die natürliche Farbe reicht von Dunkelbraun über Beige bis zu Weiß.

Cashgora stammt von einer Kreuzung aus Kaschmir- und Angoraziege.

Angorafasern sind mit 10-15 Mikrometer besonders fein. Sie stammen von Angorakaninchen und sind sehr weich und wärmend. Die Naturfarbe ist zumeist Weiß, kann auch ins Gräuliche gehen. Fast 90 Prozent der gewonnenen Angorawolle stammt aus China. Nachdem die Tierschutzorganisation PETA ab 2013 zahlreiche Berichte (nachzulesen auf der Webseite von PETA) veröffentlicht hatte, die die qualvollen Haltungsbedingungen von Angorakaninchen in chinesischen Produktionsstätten zeigten, haben fast alle Modemarken ihre Artikel aus oder mit Angora ausgelistet.

Alpaka liegt mit 22-30 Mikrometer im mittleren Feinheitsbereich und stammt vom Alpaka-Schafkamel. Diese Tiere wurden wie Lamas bereits von den Inkas als Nutztiere gehalten. Die natürliche Farbpalette ist sehr breit von cremefarben bis fast schwarz, sodass eine Färbung nicht nötig ist. Rund 80 % dieser Tiere leben in Peru, wenngleich in den letzten Jahren auch in Deutschland immer mehr Exemplare zu finden sind. Sie werden hier als entspannte Begleiter zum Beispiel für Alpaka-Wanderungen gehalten.

Vikunja, Guanako: Hierbei handelt es sich um das Unterhaar gleichnamiger, zumeist wild lebender Schafkamelrassen, die in großen Höhen der Anden beheimatet sind. Die rotbraunen Fasern sind besonders fein (10-15 Mikrometer) sowie selten und daher besonders teuer. In ihrem sehr empfehlenswerten Buch „Der perfekte Mantel“ erzählt Meg Lukens Noonan die Geschichte dieser textilen Faser. Sie berichtet, wie sie mit den Hirten eine Vikunjaherde im Hochland aufsucht, dass die Inkas Stoffe aus Vikunja in der königlichen Schatzkammer aufbewahrten und wie die spanischen Konquistadoren die Stoffe als Neue-Welt-Seide nach Europa brachten und es fast geschafft hätten, die Tiere auszurotten, weil man sie tötete, anstatt sie zu scheren. In den 1920er und 1950er Jahren waren Vikunjamäntel das Statussymbol für Hollywood-Schauspieler, Mafiosi und arabische Herrscherfamilien. 1975 wurden die Tiere auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gesetzt, inzwischen nehmen die Populationen dank spezieller Schutzprogramme wieder zu. 

Kamelhaar stammt vom in Nordafrika vorkommenden (zweihöckrigen) Trampeltier oder dem (einhöckrigen) asiatischen Dromedar. Die Fasern sind hellbraun bis leicht rötlich, das feine Unterhaar (15-25 Mikrometer) wird für hochwertige Bekleidung verwendet, das gröbere Deckhaar zum Beispiel in Teppichen verwoben. Die Tiere werden nicht geschoren, sondern es werden die beim Fellwechsel anfallenden Haarbüschel aufgesammelt. Bei erwachsenen Tieren sind dies 5-7 kg pro Jahr. Ein regelmäßig wiederkehrender Modeklassiker ist der Kamelhaarmantel.

Yak stammt von einer Rinderart, die in den Bergen Tibets, Nepals und der Mongolei zumeist  auf über 4000 Höhenmetern vorkommen. Die Tiere haben im Gegensatz zu allen anderen Rinderarten ein mehrschichtiges Fell mit einem regelmäßigen Fellwechsel. Das sehr feine Unterhaar (17-19 Mikrometer) wird durch Kämmen oder Scheren gewonnen.

Possum stammt von kleinen Beuteltieren. Nachdem die Tiere im 19. Jahrhundert nach Neuseeland eingeführt wurden, haben sie sich dort zu einer echten Plage entwickelt und werden heute gejagt. Neuseeländische Wollproduzenten bringen inzwischen Merino-Possum-Mischungen auf den Markt, die sehr warm, weich und leicht sind, da die Possumfasern innen hohl sind.

Wolle und Tierhaare – Eigenschaften

Da Wolle und andere Tierhaare den gleichen chemischen Aufbau haben, ähneln sich auch die im Folgenden beschriebenen Eigenschaften. Abweichungen bestehen durch die verschiedenen Feinheiten, Längen und Kräuselungen der verschiedenen Fasern.

Die wichtigsten Eigenschaften von Wolle und Tierhaaren sind die schon genannte gute Wärmeisolation und die gute Aufnahme von Wasserdampf. Wolle kann von den Naturfasern am meisten Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich nass anzufühlen. Gleichzeitig perlen Wassertopfen von der Oberfläche ab. Besonders zur Geltung kommen diese Eigenschaften bei Outdoor- oder Funktionskleidung, wie Unterwäsche und Socken. So sorgen z.B. Merinosocken für warme trockene Füße, die auch nach einer längeren Wanderung nicht riechen.

Der Grund für letzteres ist eine weitere wunderbare Eigenschaft von Wolle: Sie nimmt kaum Gerüche an. Daher reicht es in den meisten Fällen aus, Wolltextilien zum Auslüften nach Draußen zu hängen. Waschen ist nur nötig, wenn die Kleidung tatsächlich verschmutzt ist.

Da Wolle kein Wasser aufnimmt, wird Schweiß vom Körper abgeleitet – oder auch die Feuchtigkeit vom Kinderpopo beim Einsatz von Wollwindeln.

Wolle ist durch ihre Molekularstruktur sehr elastisch, das heißt, nach Verformungen geht sie immer wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Wolltextilien bewahren somit gut ihre Passform.

Genau wie unsere Haare hat Wolle eine Schuppenstruktur. Diese ist dafür verantwortlich, dass Wolle unter gleichzeitiger Einwirkung von Hitze und Feuchte verfilzt und dabei deutlich schrumpft. Dies macht man sich zum Beispiel bei der Herstellung von Loden zunutze. Ungewollterweise kann dies auch beim falschen Waschen passieren, mit dem Effekt, dass der eigene Pulli hinterher als Wärmer für die Kaffeekanne auf dem Frühstückstisch abgestellt werden kann.

Und noch eine Eigenschaft ist interessant: Wolle hat eine sehr hohe Selbstentzündungstemperatur, das heißt, sie ist im Vergleich zu allen anderen Natur- und Synthesefasern besonders feuerresistent. Daher wurde sie früher in Bekleidung für Feuerwehren, in der Raumfahrt oder Formel 1 eingesetzt. Heute entdeckt man sie wieder als ökologischen Dämmstoff in Gebäuden mit erhöhten Anforderungen an den Brandschutz.

Warum tragen wir also nicht viel mehr Kleidung aus Wolle?

Ich habe eine kleine Umfrage mit Freundeskreis gemacht. Den Aussagen habe ich ein paar Fakten gegenüber gestellt.

Aussage 1: „Wolle kratzt.“
Bei gröberen Wollen kann es sein, dass viele Faserenden aus dem Garn und somit aus dem Kleidungsstück herausragen, diese Faserenden können die Haut irritieren und dadurch einen Juckreiz bzw. das sogenannte Kratzen auslösen. Bei feiner Wolle kommt dies nicht vor, da die Fasern so weich sind, dass die Enden sich umbiegen und so nicht in die Haut pieken können.

Aussage 2: „Ich bin allergisch gegen Wolle.“
Menschen mit Tierhaarallergien haben in der Regel auch eine Allergie gegen Wolle. Laut verschiedener Studien soll superfeine Merionowolle jedoch sogar besonders geeignet für Menschen mit atopischer Haut sein.

Aussage 3: „Wolle kann man nicht in der Waschmaschine waschen.“
Bei gleichzeitiger Einwirkung von Feuchtigkeit, Wärme und Mechanik verfilzt und schrumpft Wolle wie bereits gesagt. Daher darf Wolle nur im Wollwaschgang gewaschen werden. Durch die beschriebenen schmutz- und geruchsabweisenden Eigenschaften braucht man seine Wollkleidung jedoch in der Regel nur auszulüften, damit sie wieder frisch wird.

Aussage 4: „Wolle wird von Motten verspeist.“
Das kann in der Tat ein Problem sein. Die klassische Kleidermotte bevorzugt nämlich tierische Fasern. Hier kann man nur darauf achten, die Tierchen fernzuhalten, z.B. mit Lavendelsäckchen, Zedernholz bzw. -öl oder Kleidermottenfallen.

Aussage 5: „Woll-Klamotten sind so teuer.“
Im Vergleich mit Kleidung aus anderen Faserstoffen ist das in der Regel so, aber bei guter Pflege halten die Sachen ewig. Auf die Zeit gesehen, relativiert sich der Preis also.

Weiterführende Links

Auf der Webseite der International Wool Textile Organisation (iwto.org) finden sich weitere Informationen und interessante Factsheets.

Die Woolmark Company (woolmark.com) ist der Branchenverband der australischen Wollindustrie. Auf der Seite findet man viele spannende Informationen zu Merinowolle.

Elisabeth von Delden unterhält sich in ihrem sehr interessanten Wool Academy Podcast (elisabethvandelden.com/wool-academy/) mit Menschen aus der Branche.

Comments (4)

  1. Wie interessant! Ich habe zum Beispiel noch nie von „Possumwolle“ gehört. Ich freue mich schon auf Teil 2!

  2. Hey,

    „die gute Aufnahme von Wasserdampf und die Wasserabweisung“ bzw. „Da Wolle kein Wasser aufnimmt“ sind Widersprüche.
    Wasserdampf=Wasser (gasförmiger Zustand von Wasser)
    Sonst guter Artikel 🙂

    • Lindnerin

      Hallo M,
      vielen Dank für deinen Kommentar und den Hinweis. Die Formulierung (gute Aufnahme von Wasserdampf und Wasserabweisung) war tatsächlich etwas missverständlich. Ich habe das etwas deutlicher ausformuliert. Tatsächlich macht es physikalisch einen Unterschied, ob das Wasser als Wasserdampf (gasförmig) oder als Tropfen (flüssig) auf die Faser trifft.

Schreibe einen Kommentar zu M Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert